WORT UND BILD: Brigitta Edler, 8 September 2024

FREI SICH BILDEN??

Wie sieht es aus mit unserem Wunsch, sich frei bilden zu können? Denn der Rahmen dafür ist sehr eingeschränkt. Das hängt nicht nur von der Bildung und dem Bewusstseinszustand der Eltern ab – es gibt viele einschränkende Faktoren, abgesehen von den gesetzlichen. Ich weiß, wovon ich spreche, denn unsere Kinder durften sich, soweit es möglich war, frei bilden. Das bedeutete oft, auf meine eigenen Bedürfnisse zu verzichten, etwa auf den Wunsch, nach meiner künstlerischen Ausbildung kontinuierlich in diesem Bereich zu arbeiten. Natürlich entsprach Vieles, was wir zur Schaffung der Möglichkeiten freier Bildung taten, auch meinen eigenen Wünschen.

Ich konnte viel Neuland betreten, sei es in Bezug auf mein Wissen oder durch die Erweiterung meines Freundeskreises mit gleichgesinnten Menschen, die sich im Dachverband für selbstbestimmtes Lernen in Wien organisierten. So wurden viele Möglichkeiten für zahlreiche Kinder geschaffen. Mein Lebenspartner und ich arbeiteten aktiv im Vorstand mit. Der Verein wurde vom Staat finanziell gerade so unterstützt, dass er aufrecht erhalten blieb. Viele ehrenamtliche Stunden und kreative Ideen flossen von zahlreichen Menschen in diesen Pool.

Es war nicht unser Ziel, Kinder in den üblichen Rahmen zu integrieren. Vielmehr wollten wir sie begleiten, damit sie zu kreativen, selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen, die möglicherweise nicht in das bestehende System passen, weil sie nicht angepasst sind.

Ich erinnere mich an die Kritik von Yakov Hecht von der Hadera-Schule, die sich darauf bezog, was unsere „Wünsche“ für unsere Kinder sind. Es ging nicht darum, ihnen den Weg zum besseren Bankdirektor zu ebnen. Ihm lag es am Herzen, dass Kinder in unseren sogenannten Schulen wirklich wachsen können.

Das Thema ist vielschichtig. Manch gut etablierte Alternativschule war für meinen Geschmack manchmal eine kleinbürgerliche Veranstaltung, wie es Julius Mende nannte. Es ging also nicht nur um unsere Kinder, sondern um gesellschaftliche Veränderungen, die auch vor 30 Jahren schon notwendig waren.

Zurück zu uns Eltern: Wir müssen zunächst unsere Kinder ernähren können und Rahmenbedingungen für ihr Leben schaffen, die nicht zu eng sind. Dafür müssen wir an die Öffentlichkeit gehen, für weitere Strukturen sorgen und in diesem Sinne auch für gesellschaftliche Veränderungen einstehen. Bei aller Freiheit endet diese dort, wo die Grenze zum Nächsten beginnt. Es gibt so viel zu tun – ein Leben reicht dafür nicht aus, das ist Arbeit für mehrere Generationen.

Wir hofften auf Änderungen der Gesetze, denn wir arbeiteten nachweislich erfolgreich und wollten mehr Möglichkeiten für die Zukunft schaffen. In ganz Österreich gab es in jedem Bundesland Bewegungen in diese Richtung. Es müsste doch endlich erkannt werden, dass sich Menschen im herkömmlichen Schulsystem nicht gut entwickeln können. Doch oft passierte das Gegenteil: Die Gesetze wurden strikter, und etliche der sogenannten freien Schulen verkamen zu teuren, elitären Tummelplätzen.

Meine Kinder sind heute erwachsen. Ich beobachte genau, was ihnen gutgetan hat und wo es Defizite gibt, die durch ihre Prägungen entstanden sind. Ich bin stolz auf meine Kinder, denn alle haben sich so entwickelt, dass sie in dieser Gesellschaft leben und arbeiten können und dabei Impulse setzen, die ein Feuer in Richtung Freiheit entfachen. Wir konnten ihnen aus materiellen Gründen nicht alles bieten, unser Wissen, unsere Zeit und die Möglichkeit, mit uns zu leben und zu arbeiten, waren unser Angebot.

Wir reisten viel, verbündeten uns mit anderen Organisationen, was mich auch zu proGenia führte. Mit Olivier organisierten wir einige übergreifende Projekte. Es war ein Treffen von Menschen, die an neuen Bildungslandschaften arbeiten wollten – Oasen der Bildung nannten wir sie. Auch proGenia ist ein Teil dieser Ideen.

Ich schreibe hin und her und komme nicht auf den Punkt: Was soll das freie Bilden eigentlich sein? Ich bin vorsichtig, denn für egozentrische Menschen, die nur ihre Selbstverwirklichung im Blick haben, habe ich nichts übrig. Auch das kann bei freier Bildung herauskommen. So frei sehe ich das Leben und die Bildung eben nicht.

Ich zum Beispiel bin nicht frei. Meine Kinder, meine Enkelkinder – ich trage sie in meinem Kopf und meinem Herzen. Obwohl ich heute die Freiheit habe, zu tun und zu lassen, was ich will. Es brennt die Welt. Soll ich mich da einfach meiner Spiritualität hingeben, ohne mich von all dem berühren zu lassen? Ich lebe mit zwei Hunden, die meine Freunde sind und täglich von mir eine Antwort wollen.

Wie kann ich da, bei all dem, was mich umgibt, frei sein, mit so vielen Herzensangelegenheiten?

Und wenn ich weiter schaue und sehe, was um mich herum passiert? Kann man sich da wirklich zurückziehen und die Verantwortung, die man trägt, außer Acht lassen? Ich weiß mittlerweile, dass jede Antwort, die ich aus dem Herzen gebe, eine Kette von Schwierigkeiten nach sich ziehen kann. Ich gebe meine Antworten aus dem Herzen heraus und das ist oft nicht bequem (für Andere) Doch ich konnte mich aus meinem Erziehungsprogramm befreien und diese Freiheit verpflichtet.

All das, sind für mich wichtige Themen, wir konnten einige Antworten finden, doch viele Fragen sind offen, die wir vielleicht hier in diesem Rahmen diskutieren können.